Ewiges Leben

Porträts & Exposés

Zweiter Tag

„Ich bin nicht mit ihm verwandt. Nicht direkt.“
Das hätte ich auch nicht vermutet. Dafür sieht sie zu deutsch aus, zu wenig tirolerisch, meine neue Chefin. Und so spricht sie auch, wie eine aus dem Norden. Ich habe das Namensschild vor der gepolsterten Tür ihres geräumigen Büros angestaunt. Dann geht die Tür auf, sie füllt sie mit ihrer Breite fast ganz aus, und während sie mir einen merkwürdig glatten Händedruck verpasst, stellt sie sich so förmlich vor, wie wenn sie vom Türschild ablesen wollte.
„Also, ich bin Professor Doktor Inka Buttin-Bock-Brecher, ich leite das Institut hier, das Carlo-Brecher-Institut für Literaturforschung, das Südtiroler Literaturarchiv.“ Bei dieser Eröffnung sieht sie mich durch die schräg auf der Nase sitzenden Brille mit einem halb fragenden Blick an, als würde sie sich vergewissern, ob ich sie denn wohl recht verstanden habe und die mitgeteilte Information in ihrer gesamten Tragweite zu würdigen wisse. Dann setzt sie hinzu: „Willkommen im Burggrafenamt. Ich hoffe, Sie hatten eine angenehme Reise.“ Offenbar ohne eine Antwort zu erwarten, weist sie mir einen Platz auf einem grünen Polstersessel zu, selbst setzt sie sich auf das grüne Sofa gegenüber, zwischen uns steht ein kleines Glastischchen mit einem grünen Tuch darauf, und es riecht in dem ganzen Raum nach Fichte. Gleich neben uns befindet sich ein riesengroßer, mit Papieren vollgeräumter Schreibtisch, auf dem zwei Bildschirme stehen. Alle vier Wände des weiten Raumes sind abgesehen von zwei kleinen Fenstern komplett bis oben hin mit Bücherschränken und Regalen zugestellt.
Ich schildere dir alles so gut und so genau wie ich kann, weil ich es für wichtig halte, meine ersten Eindrücke von dieser Frau festzuhalten, die nun für mindestens ein Jahr meine Chefin sein wird. Manchmal kommt es auf Kleinigkeiten an. Zum Beispiel auf den Geruch, den sie verströmt. Leider kenne ich mich bei Parfums nicht aus. Dieses hier ist etwas Oberflächliches, Beliebiges, etwas Scharfes, wie Essig, das etwas anderes zudeckt, etwas Spezielles, das aus der Tiefe kommt, von der ich keine Ahnung habe, wie Öl. Genau so wie die dicke Makeup-Schicht in dem auffällig runden Gesicht dieser Frau mit ihrer auf den ersten Eindruck hin etwas tantenhaften Wirkung auf mich etwas zudeckt, von dem ich auch nichts weiß, das mich aber instinktiv an hart gewordenes Weißbrot denken lässt. Umrahmt ist das Rundgesicht von einer flachsblonden Bubi-Kopf-Frisur. Du wunderst dich vielleicht über meine Assoziationen. Doch habe ich jetzt, während ich das aufschreibe, und seit gestern fast ununterbrochen, den Geruch meines Quartiers über der Fleischerei in der Altstadt in der Nase, wo man mich vorläufig untergebracht hat, und den Geschmack von Selchwaren förmlich im Mund.
Gestern habe ich nach der langen komplizierten Bahnfahrt von Graz hierher ins Burggrafenamt – fünf Mal umsteigen: Bruck an der Mur, Spittal am Millstätter See, Lienz in Osttirol, Franzensfeste, Bozen – nur mehr meine Sachen ausgepackt und in die klapprigen Kästen eingeräumt, dann habe ich mich schon in das durchhängende Bett mit einer nach Geselchtem duftenden übergroßen und übertrieben dicken Daunendecke gelegt. In der Nacht bin ich ebenso oft aufgewacht wie ich umsteigen musste. Heute früh habe ich mich dann unverzüglich, ohne Frühstück, sogar ohne Kaffee – du weißt, was das bedeutet! – auf den Weg begeben, um mich meiner neuen Vorgesetzten vorzustellen und meinen Dienst im Archiv anzutreten. Von der Stadt habe ich noch keinen Eindruck gewinnen können. Mein Weg zur Arbeit führt steil bergauf, kaum fünfhundert Meter, aber ich habe eine Viertelstunde dafür gebraucht, erst geradeaus durch eine lange Gasse mit Altstadthäusern rechts und links, immer steiler werdend, dann in drei Serpentinen – es soll auch eine Abkürzung für Fußgänger geben, die habe ich aber nicht gefunden – bis zur Burg. Du wirst es nicht glauben: Das Institut befindet sich wirklich in der renovierten Burgruine direkt über der Stadt. Ihr ursprünglicher Name: Frundsberg, nach einem mittelalterlichen Rittergeschlecht. Heutzutage ist der Weg überall mit „Freundsberg“ ausgeschildert und darunter steht „Carlo-Brecher-Institut“. Man kann auch mit dem Auto hinauffahren, es geht durch ein Tor in einen kleinen Hof zwischen zwei gewaltigen Türmen.
Wie ich nun der Frau Professor gegenüber sitze, brennen mir zwei Fragen auf den Lippen. Die eine – kriege ich einen Kaffee? – unterdrücke ich vorerst noch, mit der zweiten wage ich mich vor, allerdings vorsichtshalber nach der indirekten Methode. „Carlo Brecher ist gar nicht aus der Stadt. Wie kommt es, dass sein Archiv hier seinen Sitz hat?“
Die Chefin gluckst. Ein, zwei, drei Mal. „Warum hier im Freundsberg? Das mag manchen als Zufall erscheinen. Ist aber keiner. Nun. Brecher ist rein zufällig in der Stadt geboren. Glaubte man zumindest.“ Sie hebt bedeutungsheischend die Augenbrauen hinter ihrer gestrengen Brille, und um das noch zu verstärken, rückt sie mit ihrem ganzen Kopf vor in meine Richtung. „Aber das hat gar nichts damit zu tun, dass wir, also mein Mann, das heißt, genau genommen ich, mit anderen Worten, das Land Südtirol – die Provinz Alto Adige – Mittel bereit gestellt hat, die es ermöglicht haben, diese alten Gemäuer in aufwändiger Weise zu renovieren und das Archiv hier einzurichten, in dem wir Manuskripte und Dokumente sammeln, erforschen und zugänglich machen –.“ Sie unterbricht sie plötzlich, fixiert mich. Jetzt wird sie mich fragen, ob sie uns nicht Kaffee servieren lassen soll, denke ich, aber weit gefehlt. Sie richtet sich auf, ich bemerke, dass sich unter dem langen, wollenen pinken Kleid, das sie über einer eng an voluminöse Schenkel anliegende beigen Hose trägt, ein Kugelbauch verbirgt, wie von einer Schwangeren. Aber die kann nicht schwanger sein, sie ist wohl schon über fünfzig.
Mit dem Finger auf mich zeigend fragt sie: „Wie stehen Sie zur Literatur? Aus dem Bewerbungsverfahren bin ich über Ihre Qualifikationen natürlich im Bilde. Sie haben einen Master in Geschichte und einen in Digitale Geisteswissenschaften von der Uni Graz. Gut so! Wir benötigen Ihre Kenntnisse vor allem auf dem zweiten Gebiet. Darum haben wir bei der Ausschreibung der Stelle Literaturwissenschaft als Kriterium vernachlässigen müssen.“ Sie räuspert sich und verkündet: „Carlo Brechers gesamter literarischer Nachlass befindet sich in unserem Archiv. Erworben aus Mitteln des Landes Südtirol. Denn es handelt sich bei Carlo Brecher um den bedeutendsten lebenden Vertreter der drei Literaturen von Südtirol, der italienischen Provinz Alto Adige, unter Berücksichtigung aller drei Landessprachen Deutsch, Italienisch und Ladinisch. Ist Ihnen das bewusst? Und werden Sie es schaffen, ohne abgeschlossenes Literaturstudium einen Sinn für Ihre Aufgabe zu entwickeln? Ich muss Sie dies nun fragen: Wie ist Ihre Beziehung zur Literatur?“
Du kannst dir bestimmt ganz gut vorstellen, wie unangenehm mir die noch dazu in diesem Ton vorgetragene Frage ist und wie schwer es mir fällt, sie zu beantworten. Doch Angriff ist die beste Verteidigung. „Wie kommt es, dass das Institut den Namen eines noch lebenden Autors trägt? Das ist doch sehr ungewöhnlich!“
Wieder das Glucksen. Ich zähle mit. Fünf Mal.
„Wir konnten doch nicht wissen, dass er noch lebt.“

Nicht dass du glaubst, ich wäre ganz unvorbereitet gewesen. Den Wikipedia-Eintrag zu Carlo Brecher habe ich natürlich gelesen, doch nicht nur das. Als ich vor eineinhalb Jahren in der wohl schwersten persönlichen Krise meines fast schon dreißigjährigen bisherigen Lebens auf die absurd anmutende Idee verfallen bin, dir, liebe Carina, und meinem ganzen Grazer Lotterleben den Rücken zu kehren und ins Burggrafenamt ins Exil zu flüchten, als ich damals per Zufall die Ausschreibung im Internet fand, habe ich sofort gespürt: Da stimmt etwas nicht, da ist etwas faul im Staate Dänemark. Wegen der Pandemie hat sich alles verschoben, wie du weißt. Es hat zum Beispiel nie ein Vorsingen vor Ort gegeben. Das Hearing ist fast ein Jahr nach meiner Bewerbung via Zoom abgehalten worden, wie du dich wohl erinnern wirst. Ob die Frau Professor an der unspektakulären Befragung überhaupt teilgenommen hat, dessen vermag ich mich beim besten Willen nicht mehr zu entsinnen. Ich glaube aber eher nicht. Der Leiter war ein mit kaum verständlichem Akzent deutsch sprechender Kulturbeamter irgendeiner Bozener Behörde. Jedenfalls habe ich für meinen Auftritt dort ein Portfolio mit Bruchstücken zur schillernden Biografie von Carlo Brecher vorbereitet. Dieser Bauernsohn aus dem hintersten Seitental eines Seitentals im Burggrafenamt direkt im Schatten des Ortlers hat in den 1960-er Jahren zu den Bumsern gehört. Du weißt nicht, wer die waren? Deutsch-Tiroler Fanatiker. Sie haben Strommasten und faschistische Denkmäler in die Luft gesprengt, um die Wiedervereinigung Tirols und den Anschluss an Österreich zu erzwingen. Brecher und einige andere haben sie erwischt, er saß zwei Jahre in Haft. Mit der Kulturszene kam er durch die Mitwirkung an Heimatfilmen, zuerst als Statist, in Berührung. Schon vorher noch als Teenager aber erlangte er als Skirennläufer an der Seite von Gustav Thöni überregionale Bekanntheit. Die Skifahrerlaufbahn wurde von der gerichtlichen Verurteilung vereitelt, die Karriere als Schauspieler setzte sich dagegen sehr vielversprechend fort, bis er sich, angeblich wegen einer Frau, mit Luis Trenker anlegte und den öffentlich als Nazi brandmarkte, woraus seine lebenslange Freundschaft mit dem berühmten Bergsteiger Reinhold Messner hervorging. Über das tatsächliche Geburtsdatum von Carlo Brecher existieren im Internet interessanterweise widersprüchliche Angaben, sie schwanken zwischen 1939 und 1945. Die öffentliche sozusagen politische Rehabilitation nach der Haft gelang ihm, weil er sich nach Abschluss des Südtirol-Autonomiepakets den Neofaschisten anschloss und für sie ein Mandat im Südtiroler Landtag eroberte, wo er zwei Jahre lang skandalöse Brandreden hielt, bis er sich über Nacht wieder aus der Politik zurück zog. Er propagierte die Idee des „Vale Vera“. Davon hast du wahrscheinlich noch nie etwas gehört, ich ehrlich gesagt damals auch erst das erste Mal. Es geht bei dieser kruden Ideologie irgendwie darum, dass in einigen Alpentälern immer noch die direkten Abkömmlinge des Ötzi leben, aus denen alle anderen europäischen Völker hervorgegangen sind. Der Eintritt in die Literaturszene gelang Brecher genau in dieser Lebensphase, das war also vor ca. vierzig Jahren. Er publizierte Gedichte und Kurzprosa in deutscher und italienischer Sprache. Zugleich zog er sich auf den vom Vater geerbten Bauernhof zurück. Auch damit im Zusammenhang existieren arge Gerüchte. Und zwar sein Verhältnis zu seinem Vater – es gibt es eine Fama, die nichts anderes als ein wildes Gemisch aus Mythos und Geschichte, aus Dichtung und Wahrheit bietet. Verlässliches habe ich mit meinen unvollkommenen Recherchemitteln nicht herausgefunden. Angeblich soll Carlo Brecher seinen greisen Vater Karl Brecher mit einer Axt bedroht haben, wieder war eine Frau im Spiel, in der gleichnamigen Novelle als „Weibsteufel“ bezeichnet. Vor Gericht konnte er nachweisen, dass sein vormaliges Geständnis nicht mehr ist als der seiner Fantasie entsprungene erste Entwurf der literarischen Erzählung, und er wurde freigesprochen. Nach dem Freispruch veröffentlichte er nur mehr gelegentlich. Er begann an seinem Opus Magnum „Strömen“ zu schreiben. Dafür verwendet er ein Kunst-Ladinisch, eine von ihm kreierte eigene Sprache aus Elementen des in den Gebirgstälern des Burggrafenamt von alten Leuten bis vor kurzem immer noch gesprochenen alpenromanischen Dialekts. – Mit meinen Italienischkenntnissen habe ich beim Hearing damals geblufft, das weiß keine besser als du, liebe Carina. Ich habe mein Portfolio ja zweisprachig eingereicht, und die italienische Version war lupenrein. Und in meinem Lebenslauf habe ich auf deinen Rat hin die liebe Tante Elisabetta erfunden, die mir die italienische Sprache schon als Baby quasi mit der Muttermilch eingegeben hat. Hätte mich der Vorsitzende bei dem Zoom-Termin auf Italienisch angesprochen, wäre ich geliefert gewesen, aber er hat es nicht getan. Warum, weiß ich nicht. Vielleicht wollte er mit seinem Deutsch angeben, oder es war eine Südtiroler Gepflogenheit im Spiel, die ich nicht durchblickt habe.

Frau Professor Doktor Inka Buttin-Bock-Brecher beherrscht offenbar die Kunst des Gedankenlesens: „Bedanken Sie sich bei Ihrer Amme, dass Sie jetzt hier sitzen dürfen!“ Sie schaut mich an, mit einem Blick, weißt du, als wäre gar nicht ich es, der ihr gegenübersitzt, oder besser gesagt, als würde niemand bei ihr in ihrem Chefinnen-Büro sitzen, als wäre sie alleine da, mit den Bergen des Burggrafenamts, über die sie nicht hinwegkommt. Ich weiß nicht, warum mir in dem Moment eingefallen ist, dass sie aus einer kleinen Stadt in Niedersachsen zwischen Lüneburg und Göttingen kommt. Das habe ich aus Wikipedia. 

Sie seufzt. „Mir ist es in dieser Beziehung weniger gut ergangen. Sie haben ja noch gar keine Ahnung, welches chauvinistische Klima einem gerade hier im Burggrafenamt entgegenschlägt. Und glauben Sie nur ja nicht, es sind die Italiener! Nein, nicht die! Die anderen sind es, die mir vorwerfen, mein Italienisch sei nicht gut genug. Mama mia. Wie süß!“ 

Nun stößt sie ein Lachen aus. Drei schrille, kehlige, kurze Laute. Ich nehme wahr, wie sie sich zusammenspannt. Die Gesichtsmuskeln zu einem Lächeln, die Hände zu Fäusten, die Schenkel, als wolle sie aufspringen. Und gleich darauf, wie alles wieder erschlafft. Jetzt, denke ich, jetzt ist sie entspannt, jetzt frage ich wegen des Kaffees, ein Cappuccino, das wird es hier geben, wir sind immerhin in Italien, sie braucht nur die Sekretärin zu rufen. Aber nein! Schon beginnt sie wieder: 

„Sie können sich gar nicht vorstellen, auf welchem Niveau –!“ Eine schwerwiegende Pause folgt auf den unvollendeten Satz. Sie fixiert mich. „Schadet nicht, dass Sie sich mit meiner akademischen Biographie ein wenig vertraut machen.“ Wieder legt sie eine Pause ein. Mich erfasst leichter Schwindel. Ich spüre, ich bin völlig unterzuckert. Was für ein Fehler, diesen Termin ohne vorheriges Frühstück absolviert haben zu wollen. Die Bilder aus dem Werbeclip tauchen vor mir auf, du weißt schon, welchen ich meine, Caffé solo con –. 

„Ich habe über Goethe promoviert und mich über Musil habilitiert. Robert Musil – schon gehört?“ Das mit Goethe wusste ich. Aber Musil? Hat sie sich tatsächlich auch habilitiert? „Und nun muss ich mir hier in der Provinz der Provinz von diesen burggrafenämtlichen Hinterwäldlern sagen lassen, ich kolonisiere sie!“ 

„Wie? Echt? Kolonisieren?“ Ich bin perplex. 

Du weißt doch, wie empfindlich meine Nase auf Gerüche reagiert. Wenn ich nicht so sensible Geruchsnerven hätte, wäre mir zwar mancher Ekel erspart, aber auch manche Erkenntnis versagt geblieben… – Klingt gut, dieser Satz, nicht? Die Frau Professor spricht weiter, ich höre zu, ihrer betont ruhigen Stimme, aber ich verstehe den Sinn ihrer Worte nicht, ich sehe ihr fast kreisrundes Gesicht, die kugelförmige, vollkommen glatte Oberfläche ihrer Haut, aber irgendwie spüre ich: das passt nicht zu dem Geruch. Der Geruch ist nicht so glatt wie der Ton und die Haut. Im Geruch ist etwas Unrundes, etwas Widersprüchliches. Ich kanns nicht besser erklären. Vielleicht hat mich einfach gestört, dass keine Spur von Caffé in der Luft gewesen ist. Jedenfalls hat sie sich über den Dialekt der Bewohner des Burggrafenamts ausgelassen. Dass das kein Deutsch ist. Dass mit den Sprechwerkzeugen dieser Berg- und Talbewohner etwas nicht stimmen kann, weil sie alle Phoneme des Systems deutsche Sprache in einer Weise realisieren, die nicht den Regeln entsprechen. Dass das aber in einer Weise interessant sei, ja sogar höchstes Interesse verdiene. Weil diese Menschen, die so ganz und gar gegen die Regeln artikulieren, dennoch in der Lage seien, in und sogar mit ihrer Sprache Kunst hervorzubringen. Ich hab, wie gesagt, ihren Sermon nicht verstanden. Wegen der linguistischen Terminologie, aber vor allem, weil sie so eintönig gesprochen hat. Nein, nicht monoton. Sie hat zwar bestimmte Worte betont, aber alles immer in einem Tonfall. Nur eines ist mir noch in Erinnerung. Man nennt sie in der Stadt hinter ihrem Rücken die „Merkel vom Brecher“. 

Sie unterbricht sich und fixiert mich: „Kann ich mich auf Sie verlassen? Können Sie schweigen? Ich muss mich auf Ihre Verschwiegenheit und – auf ihre absolute Loyalität verlassen können!“